Bioenergie-Region H-O-T und gentechnikfreies Gebiet:
Im Prinzip anerkennenswert, aber es fehlt der globale Ansatz.
Meinung von Manfred Pfaus zu zwei Artikeln in den FN vom 5. November 2011
Bioenergie/nachwachsende Energie
„Bioenergie bietet vielfältige Möglichkeiten Öl und Gas zu ersetzen oder zu ergänzen. Die Bioenergie-Region H-O-T will diese Einsparpotentiale aufzeigen und anschaulich darstellen, was mit Bioenergie alles möglich ist“, Zitat aus der H-O-T-Website www.bioenergie-hot.de/
Und: „Wenn in der Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber ausreichend Strom und Wärme produziert wird, müssen wir weniger Energie von außerhalb zukaufen.“ Und den FN - wie auch anderen Medien - wird mitgeteilt, dass der neue baden-württembergische Energieminister Franz Untersteller die H-O-T-Aktivitäten lobt und seine Glückwünsche ausspricht, dass die Bioenergieregion weiter in der Bundesförderung verbleibt.
Im Prinzip kann man sich dem anschließen, was da so passiert, und hierzu gehört auch die angestrebte Stromautonomie im Kreis, die durch Fotovoltaikdächer erreicht werden soll. Bezug genommen wird voll Freude, dass die Haushalte im Gebiet mit "preiswerter Energie" (Gas,Strom) versorgt werden können. Dazu kommt ein verstärkender patriotischer Effekt, wenn H-O-T mitteilt, „unser Geld bleibt hier bei uns“.
Was mir bei all dem fehlt, ist der Blick über den eigenen Tellerrand. Die Energieversorgung (Öl, Gas, Strom) muss immer im Netzsystem gesehen werden. Da geht es eben nicht nur um Haushalte, sondern auch um Energie für die Industrie, für den Verkehr (Schiene eingeschlossen) und für ganz bestimmte hochenergetische Prozesse (Wärme in der Kunststoffwirtschaft).
Wenn Teile im Energie-Verbrauchersystem herausfallen, wird die Energie für die Verbleibenden teurer. Wenn Teile im Energie-Produktionssystem herausfallen, muss dennoch Energie für alle vorgehalten werden, weil der Mais nur im Sommer wächst, weil die Sonne nachts nicht scheint und weil Wind weht, wie und wo immer er will. Es gibt temporäre Überkapazitäten, wenn die Bioanlagen auf Hochbetrieb laufen, und wenn viel Sonne scheint, und wenn viel Wind bläst. - Es müssen Speicherkapazitäten geschaffen werden und es muss der Überschuss abreguliert werden. Es muss das Gesamtsystem stimmen.
Die Herstellung, der Transport und die Aufstellung der energetischen Produktionsstätten erfordern viel Energie. Die Reststoffe der Bioanlagen müssen entsorgt werden.
Ich bezweifle, dass die hierfür notwendige energiewirtschaftliche Gesamtrechnung von den Protagonisten der hier in Rede stehenden Energiebereiche aufgestellt wird. Man sieht die staatlichen Zuschüsse und findet das dann für die energetische Rechnung toll - aber halt nur für die eigene, die lokale.
Es scheint wurscht zu sein, woher die immensen Zuschüsse kommen und wie die Welt ansonsten aussieht. Hauptsache grün, das schmückt heutzutage, gleich wie man ansonsten denkt.
"Gentechnikfreie Zone"
Hier setzt mein Vorwurf an, und er bezieht sich auch auf die angepriesene Schaffung eines „runden Tischs“, über den erreicht werden soll, dass unser Gebiert zur gentechnik-freien Zone wird.
Auch hier attestiere ich gerne besten Willen für eine ökologische Landwirtschaft und entsprechend ökologisch denkende und handelnde Landwirte. Ich kann auch nachvollziehen, dass die herkömmliche Züchtung von Pflanzen und Tieren als ausreichend und vor allem als ethisch wertvoll betrachtet werden kann.
Aber: Was ist denn unethisch, wenn die biologischen Wissenschaften und ihre wissenschaftlichen Begleitgebiete Forschungen betreiben, die zum Ziel haben, dass nicht nur im Neckar-Odenwald eine blühende Landwirtschaft gedeiht, sondern auch weltweit die Landwirtschaft ihrer Urfunktion nachkommt und Menschen ernährt, nach Möglichkeit alle.
Und das lässt sich nicht ohne weiteres erreichen. Pflanzenanbau sollte auch in sehr sumpfigen und in sehr trockenen Gebieten und auf salzhaltigen Böden möglich sein. Es sollten ertragreiche Pflanzen verfügbar sein und Pflanzen, die gegen bestimmte Gifte, gegen Viren und Pilze resistent sind. – Nicht nur in Entwicklungsländern.
Solche Eigenschaften sind offensichtlich mit konventioneller Kreuzung und Auslese nicht herstellbar. Das kann nur die Gentechnik erreichen. Dazu kommen noch viele andere gentechnische Forschungsgebiete, deren Ergebnisse und Produkte der Menschheit global dienen.
Natürlich muss man dafür sorgen, dass den Wissenschaften gesetzliche Leitplanken vorgegeben werden, damit nicht alles gemacht wird, was machbar ist. Dies gilt auch für das biologie-bezogene Patent- und Wirtschaftsrecht
Was halt so vielen gentechnikfreien Initiativen expressis verbis, zumindest schlussgefolgert innewohnt, ist die Tendenz, Gentechnik eigentlich zu verbieten. Schnell ist der Schritt zum Verbot der (grünen) Gentechnik gemacht.
Das wäre verheerend. Es muss weiter möglich sein, die Eigenschaften von Genen in Pflanzen zu erforschen und Schlussfolgerungen für die Steuerung bestimmter Geneigenschaften bis hin zur Züchtung gewünschter, neuer Pflanzenarten zu ziehen, hinsichtlich Anbaumöglichkeit und hinsichtlich Verwendung.
Ein Verbot, auch ein grundsätzlich restriktives Verhalten gegenüber der Gentechnik, wäre für mich - in einem Land, das auf vielen Forschungsfeldern zweitklassig wird - eine Katastrophe. Ich erkenne den eklatanten Mangel, dass wir auf vielen Feldern nicht langfristig und nicht global denken und handeln. Für mich steht fest, dass China und Indien und so manches weitere Massenland Europa erdrücken werden, wenn nicht mehr geistige Energie für die entscheidenden Zukunftsfelder eingebracht wird.
Fazit
Die Forschungsgebiete Biotechnik und Energie, vor allem dort, wo sie zusammenkommen, haben für mich zentrale Bedeutung. Gut gemeinte lokale Aktionen können in dieser Richtung kaum weiterhelfen, können sogar, wenn sie nicht breit genug angelegt sind, kontraproduktiv sein. Staatliche Förderung verpufft, ist am Ende in die falsche Richtung ausgegeben, wenn sie nicht aufs Ganze angelegt ist. Um in der Landwirtschaftssprache zu bleiben: „Kleinvieh macht auch Mist“ gilt hier nicht.
Siehe auch: