Leserbrief an die Lokalredaktionen in Buchen
Gegen den Hype um das Homo-Coming Out – Furcht vor Mitteilungspflicht
Was geht eigentlich irgendjemanden an, welche sexuellen Vorlieben irgendwelche mehr oder weniger öffentliche Personen haben? Was soll denn der Hype, den alle möglichen Medien, auch Ihre Zeitung, da zelebrieren? Ich vermute, dass dahinter ein voyeuristischer Kitzel steckt, dem Ausdruck verschafft werden muss.
Das Anliegen, einen Menschen wegen seiner sexuellen Orientierung nicht zu diskriminieren, ist ja richtig. Aber muss man da wirklich ein Coming Out veranstalten? Und muss das Thema in die Schule? - Toleranz lässt sich in der Erziehung und in der öffentlichen Darstellung auch über andere Methoden vermitteln und ausüben.
Natürlich gibt es persönliche Hemmungen und Belastungen, sein Sexualleben nach eigener Veranlagung oder Vorliebe zu gestalten. Aber das gilt doch für alle möglichen anderen Bereiche des individuellen Lebensgefühls, die so bedeutsam wie das Sexualleben sind. Ich denke etwa ans Berufsleben oder an die familiären und gesellschaftlichen Bindungen, die täglich auf die Probe gestellt werden, ob sie die notwendige Toleranz finden.
Und natürlich ist – bei allen wissenschaftlichen Zweifeln - etwas dran, wenn Sigmund Freud vor hundert Jahren dem Antagonismus zwischen Libido und Aggression die zentrale Bedeutung für unser Gefühlsleben (ja das Leben an sich) beimisst. Dessen ungeachtet spielt die eigene Verantwortung für die Lebensgestaltung eine zentrale Rolle. Und die muss jeder – freilich im Kontext seiner Umgebung – für sich wahrnehmen. Ob jemand daraus eine öffentliche Mitteilung macht, soll jedem überlassen bleiben. Daraus aber eine Sensation zu machen, halte ich für unangemessen, ja unanständig.
Ich weiß nicht, wie wohl sich die Outingstars unserer Zeit tatsächlich fühlen, wenn sie bei jeder Gelegenheit mit ihrem Coming Out konfrontiert werden, wie in diesen Tagen der Ex-Fußballstar Hitzlsperger. (Es sei denn, es gibt dafür Honorar, was ich nicht ausschließe.)
Ich fürchte, dass irgendwann irgendein Amt (weil Politiker die entsprechenden Gesetze gemacht haben) darauf kommt, dass in den Vordrucken für den Pass, den Führerschein, den Arbeitsvertrag oder den Vereinseintritt anzugeben ist, welchen sexuellen und anderen Neigungen der/die Antragsteller/in anhängt. Wo alle Welt voll ist, den Datenschutz ganz hoch zu hängen, muss es doch höchstpersönliche Privatsache sein, wie jemand sein Sexual- und Gefühlsleben gestaltet. - Mir ist schon zu viel, wenn die Religionsangehörigkeit angegeben werden muss.
10. Januar 2014
Manfred Pfaus
In den Fränkischen Nachrichten am 11.1.2014 veröffentlicht:
http://www.fnweb.de/sport/regionalsport/sexual-und-gefuhlsleben-ist-reine-privatsache-1.1356958